Kirchenprivilegien in Deutschland

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Karikatur: J. Tilly
Als Kirchenprivilegien oder Privilegienbündel werden im deutschen Staatskirchenrecht diejenigen Rechte und sonstigen Vorteile bezeichnet, die das einfache Recht an den öffentlich-rechtlichen Status (Körperschaftsstatus) von Religionsgemeinschaften knüpft.
Religionsgemeinschaften mit Körperschaftsstatus
Rechtsfolgen aufgrund einzelner Gesetze („Privilegienbündel“):
- Verfassungsrecht:
- Anspruch auf Einrichtung von Religionsunterricht (Art. 7 Abs. 3 GG)
- Recht auf Erhebung der Kirchensteuer (Art. 137 VI WRV)
- Anspruch auf Staatsleistungen (Art. 138 I WRV)
- der Sonntag und die staatlich anerkannten christlichen Feiertage sind gesetzlich geschützt (Art. 139 WRV)
- Bundesrecht:
- Ausnahmen im Hinblick auf das Arbeitsrecht, insbesondere das Arbeitszeitrecht (§ 7 IV ArbZG; § 7 IV ArbZRG, § 21a III JArbSchG)
- Ausnahme kirchlicher Betriebe vom Antidiskriminierungsgesetz (§ 9 AAG)
- besondere Steuerbefreiungen (§ 13 I 16 ErbStG, § 3 Nr. 6 GewStG, § 3 I 4-6 und § 4 GrStG, § 5 I 9 KStG, § 4a I UStG)
- Annahme von Spenden für kirchliche Zwecke (§ 54 AO)
- Recht auf Beisitzer in der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (§ 19 II 8 JuSchG)
- Berufung von Mitgliedern in den Deutschen Ethikrat des Bundestags (§ 4 I EthRG)
- Berücksichtigung beim Erstellen von Bauleitplänen (§ 1 VI 6 BauGB)
- Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe (§ 75 III SGB VIII)
- Versicherungsfreiheit der Geistlichen in der Kranken- und Rentenversicherung (§ 6 I 4 SGB V; § 5 I 2 SGB VI)
- Verbot der Beschimpfung von Inhalten religiöser Bekenntnisse oder Kirchen („Gotteslästerungsparagraph“ - § 166 StGB)
- strafrechtlicher Schutz von Amtsbezeichnungen, Titeln, Würden, Amtskleidungen und Amtsabzeichen (§ 132a III StGB; § 126 I 2 OWiG)
- Recht auf die medizinisch nicht erforderliche Beschneidung männlicher Kinder (§ 1631d BGB)
- Genemigung des Schlachtens ohne Betäubung, Schächten (§ 4a II TierSchG)
- Ausnahme religiöser Feiern von Verboten und Auflagen des Versammlungsgesetzes (§ 17 VersG)
- Vertretung eines Kriegsdienstverweigerers vor den Ausschüssen (§ 11 KDVG)
- Vorschlagsrecht im Hinblick auf die Unabkömmlichkeit von Wehrpflichtigen (§ 13 II 2 WPflG; vgl. § 16 II 2 ZDG)
- Übermittlung von persönlichen Daten sowie Meldedaten seitens des Staates (§ 15 IV BDSG, § 19 MRRG, Landesmeldegesetze)
- Landesrecht:
- Sendezeiten für religiöse Sendungen (§ 42 RStV)
- Berufung von Mitgliedern in Rundfunkräte, Verwaltungsräte und andere Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalten (Rundfunkstaatsverträge)
- Tanzverbote, Demonstrationsverbote und Veranstaltungsverbote an stillen Feiertagen (Feiertagsgesetze)
- Erziehung der Jugend zu Gottesfurcht an den öffentlichen Grund-, Haupt- und Sonderschulen, sogenannte „christliche Gemeinschaftsschulen“ oder „Simultanschulen“ (div. Landesverfassungen und Schulgesetze)
- Anbringen von Kruzifixen und Kreuzen in Schulen, Gerichtssälen und anderen öffentlichen Gebäuden (z.B. Art. 7 Abs. 4 BayEUG)
- gebührenpflichtige Entgegennahme von Kirchenaustritten bei Standesämtern und Amtsgerichten (Kirchenaustrittsgesetze)
- Errichtung und Änderung kirchlicher Stiftungen (Stiftungsgesetze)
- Anlegen und Unterhaltung von Friedhöfen in eigener Verwaltung
- Staatskirchenverträge (Konkordate):
- Erhalt von Dotationen zur Finanzierung kirchlicher Behörden und Amtsträger (z.B. Besoldung der Pfarrer und Bischöfe)
- staatliche Finanzierung der Ausbildung von Religionslehrern und Priestern an theologischen Fakultäten
- Besetzung von Konkordatslehrstühlen auch außerhalb der theologischen Fakultäten
- staatliche Finanzierung der Seelsorge in Militär, Polizei, Strafanstalten und Krankenhäusern
- Renovierung von Gebäuden in Kirchenbesitz mit öffentlichen Mitteln
- öffentliche Förderung kirchlicher Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Altenheime sowie der Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie
Rechtsfolgen allgemeinerer Art:
- Dienstherrnfähigkeit (inkl. Disziplinargewalt und Vereidigungsrecht)
- Organisationsgewalt
- Autonomie
- Widmungsbefugnis
- Parochialrecht
- Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (§ 40 I 1 VwGO)
- Vergünstigungen und Befreiungen im Bereich des Steuerrechts, des Kosten- und Gebührenrechts
- Fähigkeit, amtliche Beglaubigungen vorzunehmen